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Pastor Wolfgang Ricke, vielen bekannt als katholischer Seelsorger im Johannes-Wessling-Klinikum Minden, war mit einem Vortrag über Charles Darwin zu Gast bei der Kolpingfamilie. Vor großer Zuhörerschar erläuterte er das Lebenswerk Charles Darwins und die Auswirkungen seiner Forschung auf unser heutiges Menschenbild und vor diesem historischen Hintergrund die aktuellen Erkenntnisse der Genetik.
Charles Darwin war als Forscher 5 Jahre auf seiner ersten Expedition, wo er eine Fülle von Aufzeichnungen und Material sammelte, die er in langjähriger Arbeit sichtete und interpretierte. Dabei stellte er Theorien auf, die das damalige Menschenbild revolutionierten und die uns bis heute prägen, die aber nach heutigem Wissen über Genetik umgedeutet werden müssen.
These 1: Veränderungen von Arten unterliegen dem Zufallsprinzip:
Individuen passen sich aktiv an ihre Umgebung an. Im Genpool schlummern zahlreiche Möglichkeiten, die bei Bedarf aktiviert werden können. Man kann von Kooperation von Gen und Zelle und von Zelle und Umwelt sprechen. Gene können durch Denken, innere Einstellung oder Training aktiviert oder bei Nichtgebrauch abgeschaltet werden.
These 2: Veränderungen geschehen durch Mutationen, z.B. durch Strahlung, Gifte:
Sprunghafte Mutationen spielen eine eher geringe Rolle bei der Entwicklung. Wesentlich mehr geprägt werden Arten durch langsame Anpassung wie oben beschrieben. Wichtig ist, dass Mutation oft nicht spontan passiert, sondern weitgehend sinnvoll auf veränderte Umweltbedingungen reagiert.
These 3: Kampf ums Dasein ist der Motor der Evolution, Kooperation findet nur im Dienste dieses Kampfes statt (im Rudel jagen etc.)
Hier konnte Darwin die eigentliche Hierarchie nicht erkennen. Heute ist klar, dass die Kooperation das übergeordnete Ziel ist. Bindung belohnt den Menschen mit klar nachweisbarem Wohlgefühl (z.B. über das hormonelle System), wohingegen Aggression als Stress erlebt wird. Aggression findet normalerweise im Dienste der Bindung statt (z.B. um Hierarchien im Rudel zu klären). Ein Beispiel ist der Mensch in der Pubertät, wo Aggression die Beziehung neu auszubalancieren hilft – vom bedürftigen Kind hin zum autonomeren Erwachsenen.
Darwins Bedeutung als Wissenschaftler ist unumstritten: Er war der größte Biologe seiner Zeit, Wegbereiter vieler darauf aufbauender Theorien wie der von Freud oder Marx. Darwins Deutung war allerdings auch Nährboden der Rassentheorien (bereits vor dem Nationalsozialismus wurden Menschenexperimente an Behinderten gemacht, die mit der Unwertigkeit der Schwachen gerechtfertigt wurden), die im Nationalsozialismus die angebliche Überlegenheit einer aggressiven Rasse rechtfertigen sollte.
In einem letzten Punkt ging Pastor Wolfgang Ricke auf die Auswirkungen der Theorien Darwins ein. Die Aussage, dass alle Menschen meine Feinde sind, stellt sich als selbst erfüllende Prophetie dar. Unser Wirtschaftssystem und viele hierarchisch gegliederte Strukturen arbeiten mit den Mitteln der Rivalität. Interessant ist, dass zeitgleich mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen das Wirtschaftssystem in die Krise gerät. Kooperative Systeme haben hingegen klare Vorteile: Netzwerke, die auf Vertrauen und Bindung basieren, kommen leichter durch die Krise. Dass aggressionsbetonte Strukturen stressbedingte Erkrankungen fördern, und dass stabile Bindungen der Gesundheit zuträglich sind, steht hierbei außer Frage.
In der folgenden Diskussion stand noch die Frage der theologischen Bewertung der Darwinschen Theorien im Raum. Wolfgang Ricke betonte, dass Forschungsergebnisse nicht mit Theologie auf eine Stufe zu stellen sind. Die Kirche hat damals, wie der Kreationismus heute, die Bibel nicht korrekt übersetzt. „Adam“ heißt „der Mensch“ und meint die Menschheit. Die Schöpfungsgeschichte zeige, dass Gott den Menschen erschaffen hat, aber eben nicht in Person eines einzelnen Adam. Darwin widerlege die Existenz Gottes ebenso wenig wie die Bibel die Evolution widerlege.