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21.01.14
Offener Ganztag: Chance für die Gesellschaft oder Absage an die Familie?
Autor: Eva Maria Meier
Einen interessanten und informativen Abend erlebte die Kolpingfamilie mit Referent Ulrich Stadtmann, Stadtverordnerter und Fraktionspolitischer Sprecher der CDU Ratsfraktion in Minden. Am 24.1.2014 sprach der zweifache Vater und studierte Politologe über seine Erfahrungen mit Aufbau und Ausgestaltung des Offenen Ganztags an der Michael-Ende-Schule
Ausgehend von eigenen Erfahrungen als einer der ersten Gesamtschüler in NRW zeigte er, dass die Anfänge der Ganztagsschulen auf Paul Mikat (CDU), NRW-Familienminister 1962-1966, zurückgingen. Mikat wollte die Schlüsselkinder von der Straße holen, sie mit Mittagessen versorgen – und die Kinder unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Bildungsgrad des Elternhauses fördern. Gemeinsam mit Josef Kardinal Höffner, Bischof von Münster, initiierte er die erste Gesamtschule in Münster, die Friedensschule.
Stadtmann als Vater zweier Töchter ging vor 15 Jahren in Elternzeit, als Kindergarten erst ab 3-4 Jahren üblich war und der Grundschuleintritt eine Berufstätigkeit durch unregelmäßige Anfangs- und Schlusszeiten zusätzlich erschwert wurde. Ganztags-Angebote gab es damals nur sehr spärlich in Minden. Nachmittags-Unternehmungen wie Musikschule und Sport forderten Eltern und Kindern zusätzliche Wege ab.
In der Michael-Ende-Schule organisierte sich damals eine Elterninitiative, die den offenen Ganztag nach Anregungen und Wünschen der Kinder gestaltete. Musikschule, Sportverein und Kreativangebote wurden integriert und ermöglichen so auch Kindern bildungsfernerer Schichten z.B. das Erlernen eines Instrumentes. Möglich wird dies mit einer durchdachten Verwendung der Gelder und geschickte zeitliche Strukturierung. Mittlerweile nehmen 85 % der Kinder dort am Ganztag teil.
Mittlerweile gib es in Minden an allen Grundschulen eine Ganztagsbetreuung, bei weiterführenden Schulen gibt es in jeder möglichen Schulform mindestens eine Ganztags-Variante. Somit haben Eltern heute echte Wahlmöglichkeit für ihre Kinder.
Stadtmann fasste seine Ausführungen in folgende Thesen zusammen:
– Gute Ganztagsbetreuung sollte seiner Meinung nach freiwillig bleiben, sonst „verschult“ der Nachmittag und den Kindern wird die Möglichkeit genommen, andere, ganzheitliche Lernerfahrungen zu machen.
– Die Freiwilligkeit ermöglicht eine „Abstimmung mit den Füßen“, attraktive Angebote werden gut angenommen.
– Hausaufgabenbetreuung nehmen aus seiner Sicht einen geringen Stellenwert ein. Sie sollten von den Kindern selbständig erledigt werden können.
– Im Mittelpunkt der Betreuung stehen Angebote, die die Kinder ohnehin gemacht oder gebraucht hätten: Gemeinsames Mittagessen, außerschulische Angebote. Angebote, die allen Kindern zugänglich gemacht werden.
– Der Offene Ganztag ersetzt die Familie nicht, denn sie ist nicht ersetzbar. Er ergänzt die Familie und entlastet sie von Fahr- und Organisationsstress.
Abschließend wies U. Stadtmann darauf hin, dass der Ganztag in erster Linie den Kindern dienen sollte. Der Trend zu immer früherer und längerer Betreuung und früher Bildung ist seiner Ansicht nach auch dem Fachkräftemangel der Wirtschaft gedient. Wie vor 50 Jahren zu Zeiten von Mikat und Kardinal Höffner ist es auch heute noch erforderlich, die Schlüsselkinder von der Straße zu holen.